Visuddhi

Aus Glossar des Buddhismus
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Visuddhi *1

satta'. ‘Die ‘7 Stufen der Reinheit' bilden den Unterbau, auf dem der uns nur noch im Chinesischen erhaltene Vimutti-Magga Upatissa's (etwa 1. Jahrh. n. Chr.) sowie das darauf basierende gewaltige Werk Buddhaghosa's (5. Jahrh. n. Chr.), der Visuddhi-Magga, der Weg zur Reinheit, aufgebaut sind. Vgl. Vis. Vorwort.

Die zwei einzigen Stellen im Kanon, wo diese 7 Stufen aufgezählt werden, sind D.34 u. vor allem M.24, die Sutte vom Wagengespann, in der der Zweck dieser 7 Stufen durch das Gleichnis vom Wagengespann erläutert wird. Der eigentliche und letzte Zweck des Heiligen Lebenswandels, heißt es da, besteht nicht etwa in Reinheit der Sittlichkeit, des Geistes oder des Erkennens usw., sondern in restloser Erlösung und Erlöschung.

Wie man nun da das erste Gefährt besteigt und bis zum zweiten Gefährt fährt, dann umsteigt und mit dem zweiten Gefährt bis zum dritten Gefährt fährt usw.: "so auch hat die

  • I. Reinheit der Sittlichkeit (sila-visuddhi) die
  • II. Reinheit des Geistes (citta-visuddhi) zum Ziele, diese die
  • III. Reinheit der Erkenntnis (ditthi-visuddhi), diese die
  • IV. Reinheit der Zweifelentrinnung (kankhavitarana-visuddhi), diese den
  • V. Erkenntnisblick mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad (maggamagga-nanadassana-visuddhi), diese die
  • VI. Reinheit des fortschreitenden Erkenntnisblickes (patipada-nanadassana-visuddhi), diese die
  • VII. Reinheit des Erkenntnisblickes (nanadassana-visuddhi), diese aber die haftlose Erlösung . . .«

I. "Als Reinheit der Sittlichkeit (sila-visuddhi) gilt (für den Mönch) die in Reinheit bestehende vierfache Sittlichkeit (catu-parisuddhi-sila), nämlich Zügelung im Sinne der Ordenssatzung (patimokkha-samvara-sila), Sinnenzügelung (indriya-samvara-sila), lauterer Lebenserwerb (ajiva-parisuddhi-sila) und die auf die 4 Bedarfsartikel sich beziehende Sittlichkeit (paccayasannissita-sila)" (Vis. XVIII). Für ausf. Erklg. > sila.

II. "Als Reinheit des Geistes (citta-visuddhi) gelten sowohl die 8 Erreichungszustände (Vertiefungen > jhana als auch die ‘Angrenzende Sammlung' (upacarasamadhi, > samadhi". (ib.)

III. "Als Reinheit der Erkenntnis (ditthi-visuddhi) gilt das der Wahrheit gemäße Erkennen des Geistigen und Körperlichen" . . . "jenes auf dem Boden der Unverblendung ruhende wahrheitsgemäße Erkennen, das auf vielerlei Weise das Geistige und Körperliche feststellt und den Glauben an eine Persönlichkeit überwunden hat, diese hat man als die Reinheit der Erkenntnis aufzufassen." (ib.). Für weitere Erklg. > anatta, > paramattha, > nama-rupa.

IV. "Als Reinheit der Zweifelentrinnung (kankha-vitarana-visuddhi) gilt diejenige Erkenntnis, die durch Erfassung der Bedingungen eben dieses Geistigen und Körperlichen > nama-rupa allem Zweifel hinsichtlich der drei Zeiten entronnen ist.« (ib. XIX). Für ausführliche Erklg. > paticca-samuppada und > Karma.

V. "Als Reinheit des Erkenntnisblickes mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad (maggamagga-nanadassana-visuddhi) gilt diejenige Erkenntnis, die da besteht im Erkennen des Pfades und des Nichtpfades: ‘dies ist der Pfad, dies der Nichtpfad'« (ib. XX). Um diese Stufe der Reinheit zu erreichen, hat man als erstes den methodischen Hellblick zu entfalten, u. zw. durch Betrachtung der Daseinsgruppen. Wer nämlich noch keinen vollentwickelten Hellblick besitzt, dem mögen der beim Hellblick aufsteigende Lichtglanz sowie die anderen dabei aufsteigenden Erscheinungen ein Hindernis werden. (Über die hierbei in Betracht kommenden 3 Durchschauungen > parinna und > vipassana).

"Indem dem Übungsbeflissenen die vielerlei Merkmale der 4 Wahrheiten > sacca und der Bedingten Entstehung > paticcasamuppada deutlich geworden sind, sagt er sich: ‘So kommen denn diese Dinge, ohne vorher entstanden zu sein, zum Entstehen und entstanden schwinden sie wieder. So treten die Gebilde immer wieder als etwas ganz Neues auf. Nicht aber bloß etwas Neues sind sie, sondern sie sind auch von begrenzter Dauer, gerade wie ein Tautropfen bei Sonnenaufgang, wie eine Wasserblase, eine mit einem Stocke im Wasser gezogene Furche, wie ein auf einer Pfeilspitze liegendes Senfkorn, oder wie ein aufleuchtender Blitz. Auch als etwas Wesenloses, Gehaltloses, erscheinen sie, wie ein Blendwerk, eine Luftspiegelung, ein Traumgebilde . . . Bloß dem Hinschwinden Unterworfenes entsteht, und entstanden schwindet es wieder."

"Während solcher Hellblickübung aber steigen die sog. ‘Trübungen des Hellblicks' (vipassanupakkilesa), genauer gesagt ‘Anlässe zur Trübung' des Hellblicks, auf, nämlich:

  • Lichtglanz (obhasa),
  • Erkennen (nana),
  • Begeisterung (piti),
  • Frieden (passaddhi),
  • Glücksgefühl (sukha),
  • Entschlossenheit (adhimokkha),
  • Kraft (paggaha),
  • Achtsamkeit (upatthana),
  • Gleichmut (upekkha) und
  • Lust (nikanti).

Dadurch hingerissen und verwirrt gemacht, mag der Anfänger Gefallen daran finden, sich als Heiligen dünken u. dgl. Der im Hellblick Erfahrene aber weiß, dass dies nicht der wahre Weg ist, sondern eine bloße Begleiterscheinung des Hellblicks.

Insoweit nun hat der Übende 3 Wahrheiten festgestellt: nämlich: - durch Reinheit der Erkenntnis (ditthi-visuddhi) hat er beim Feststellen des Geistigen und Körperlichen die ‘Wahrheit vom Leiden' festgestellt. Durch Reinheit der Zweifelentrinnung (kankha-vitarana-visuddhi) hat er beim Erfassen der Bedingungen die ‘Wahrheit von der Leidensentstehung' festgestellt. Durch Reinheit des Erkenntnisblickes mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad (maggamagga-nanadassana-visuddhi) hat er beim Feststellen des rechten Pfades die ‘Wahrheit vom Pfade' festgestellt."

VI. "Als Reinheit des Erkenntnisblickes mit Hinsicht auf den Fortschritt (patipada-nanadassana-visuddhi) gilt der in 8 Erkenntnissen den Gipfel erreicht habende Hellblick und als neunte Erkenntnis die ‘der Wahrheit sich anpassende Erkenntnis' (saccanulomika-nana = anuloma-nana). Als diese 8 Erkenntnisse hat man hier die folgenden von den Trübungen befreiten, dem rechten (Hellblicks-)Vorgang folgenden und als Hellblick geltenden Erkenntnisse zu betrachten, nämlich:

  1. Die in Betrachtung d. Entstehens u. Hinschwindens bestehende Erkenntnis (udayabbayanupassana-nana).
  2. Die in Betrachtung der Auflösung bestehende Erkenntnis (bhanganupassana-nana).
  3. Die im Sichgewärtighalten des Schreckens bestehende Erkenntnis (bhayatupatthana-nana).
  4. Die in Betrachtung des Elends bestehende Erkenntnis (adinavanupassana-nana).
  5. Die in Betrachtung der Abwendung bestehende Erkenntnis (nibbidanupassana-nana).
  6. Die im Erlösungswunsche bestehende Erkenntnis (muccitu-kamyata-nana).
  7. Die in Nachdenkender Betrachtung bestehende Erkenntnis (patisankhanupassana-nana).
  8. Die im Gleichmut hinsichtlich der Gebilde bestehende Erkenntnis (sankharupekkha-nana).
  9. Die 9. Erkenntnis, d.i. die der Wahrheit sich anpassende Erkenntnis (saccanulomika-nana) ist eine Bezeichnung der Anpassungs-Erkenntnis (anuloma-nana) .

(1). Die in Betrachtung des Entstehens und Hinschwindens bestehende Erkenntnis (udayabbayanupassana-nana) hat den Zweck, die 3 Merkmale (Vergänglichkeit, Elend, Unpersönlichkeit) zu erfassen. Solange die Erkenntnis des Entstehens und Hinschwindens noch von den 10 Trübungen gestört war, konnte sie die 3 Merkmale nicht der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß erfassen; die von den Trübungen befreite Erkenntnis aber ist dazu imstande.

(2). Die in Betrachtung der Auflösung bestehende Erkenntnis (bhanganupassana-nana) ist die beim Nachdenken über die Objekte mit Hinsicht auf Versiegen und Hinschwinden aufgestiegene Hellblick-Erkenntnis. ‘Nachdem so die Gebilde aufgestiegen sind, kommen sie zum Erlöschen': während er so erkennt, steigt ihm die in Betrachtung der Auflösung bestehende Hellblick-Erkenntnis auf, von der es heißt (Pts. 57f):

"Inwiefern aber gilt das in Betrachtung der Auflösung bestehende Wissen beim Nachdenken über die Objekte als Hellblick-Erkenntnis? Dadurch, dass etwas Körperliches . . . oder Gefühl . . . Wahrnehmung . . . Geistesformationen ... Bewußtsein . . . Auge usw. . . . Altern und Sterben als Objekt da ist, entsteht Bewußtsein, und dieses löst sich wieder auf. Über jenes Objekt nachdenkend, betrachtet der Übungbeflissene die Auflösung jenes Bewußtseins. Er betrachtet es als etwas Vergängliches, nicht als unvergänglich; als etwas Elendes, nicht als Glück; als etwas Unpersönliches, nicht als Persönlichkeit. Er wendet sich davon ab, findet keine Lust mehr daran. Er entsagt der Gier danach, giert nicht mehr danach. Er bringt es zum Erlöschen, läßt es nicht mehr entstehen. Er läßt es fahren, hält nicht mehr daran fest. - Es aber als vergänglich betrachtend, überwindet er die Vorstellung der Beständigkeit. Es als elend betrachtend, überwindet er die Vorstellung des Glücks. Es als unpersönlich betrachtend, überwindet er die Vorstellung einer Persönlichkeit. Sich davon abwendend, überwindet er die Lust. Der Gier entsagend, überwindet er die Gier. Das Objekt zum Erlöschen bringend, überwindet er die Entstehung. Es fahren lassend, überwindet er das Festhalten daran." Die 8 Segnungen dieser Erkenntnis sind:

  1. Überwindung der Daseinsansicht,
  2. Aufgeben der Lebenslust,
  3. allzeit rechter Eifer,
  4. reiner Lebenswandel,
  5. Überwindung der Geschäftigkeit,
  6. Furchtlosigkeit,
  7. Erlangung von Geduld und Milde,
  8. Herrschaft über Lust und Unlust.